Newsletter 03/2022
Unsere Experten Dr. Kay-Uwe Giering und Andy Heinig beleuchten die Frage, wie die Schnittstelle von einem Quanten-System in die Außenwelt aufgebaut sein kann.
Durch die Übertragung der Quantenmechanik in die ingenieurswissenschaftliche Anwendung eröffnen die Quantentechnologien eine Vielzahl an disruptiven technischen Optionen. Ihr Erfolg beruht auf dem technologischen Fortschritt, der es heute erlaubt, einzelne quantenmechanische Systeme gezielt zu erstellen, kontrolliert zu manipulieren und Messungen am System durchzuführen. Derartige Systeme nutzen zielgerichtet quantenmechanische Prinzipien aus, die in der klassischen Alltagserfahrung nicht anzutreffen sind: so kann sich ein Quantensystem beispielsweise gleichzeitig in zwei oder mehr unterschiedlichen Zuständen befinden, wobei die Unbestimmtheit erst durch eine Messung aufgehoben wird. Man spricht in diesem Kontext von Superposition. Auf diese Weise erlaubt die Quantenmechanik auch eine starke nicht-lokale Korrelation (Verschränkung) von Systemkomponenten, die für viele Anwendungen grundlegend ist.
Die Quantentechnologien umfassen drei Teilbereiche: Das Quantum Computing nutzt u.a. das Superpositions-Prinzip für eine Parallelisierung von Berechnungen aus. Dadurch werden Quantencomputer Optimierungsaufgaben und Simulationen u.a. für die Pharmazie, Chemie, Materialwissenschaften oder Genetik lösen können, die mit aktuellen konventionellen Computern unerreichbar sind (quantum supremacy). Beispielsweise kann ein Quantenalgorithmus die Aufgabe der Primfaktorzerlegung fast exponentiell schneller (almost exponentially faster) lösen als der beste bekannte klassische Algorithmus. Da die Sicherheit vieler aktueller Verschlüsselungsmethoden, wie beispielsweise des RSA-Schlüsselaustauschs, auf der Komplexität derartiger Probleme beruht, machen Quantencomputer allerdings aktuelle Kommunikationsvorgänge (Telefonie, E-Mail, Dateitransfer, Instant Messaging, Online-Banking per https etc.) angreifbar. Aus diesem Grund entwickelt die Quantenkommunikation Methoden des Schlüsselaustauschs, die aufgrund quantenphysikalischer Prinzipien bedingungslos abhörsicher sind. Das Quantum Sensing erlaubt hochpräzise Messungen beispielsweise von magnetischen, elektrischen oder gravitativen Feldern für die Anwendung u.a. in der Mikroskopie, Medizin, Zeitmessung oder Geophysik.
Dabei gibt es aktuell im Bereich des Quantensensings schon erste kommerzielle Systeme und Anwendungen, während sowohl beim Quantencomputing als auch bei der Quantenkommunikation bisher nur Prototypen existieren beziehungsweise allererste kommerzielle Systeme verfügbar werden.
Die Mikroelektronik spielt eine besondere Rolle für die Nutzbarmachung der Quantentechnologien als zukünftiger Schlüsseltechnologien. Einerseits finden Halbleiterprozesse zur Erstellung von quantentechnologischen Systemen Verwendung. Vor allem aber werden hochperformante elektronische Chips benötigt, um die quantentechnischen Aufbauten zu steuern und die resultierenden umfangreichen Messdaten zu verarbeiten. Damit bildet die Mikroelektronik die Schnittstelle vom Quanten-System in die Außenwelt. Neben den Anforderungen an die Performance ergibt sich in manchen Anwendungen die Notwendigkeit, die Systeme bis fast an den absoluten Tiefpunkt zu kühlen. Daraus folgen weitere Anforderungen – sowohl an den mechanischen Aufbau als auch an den Entwurf der Schaltungen.
Eine wesentliche Herausforderung für den Entwurf und die Fertigung der Elektronik ergibt sich aber aus dem Spannungsfeld: hohe Anforderungen an die Performance, häufige Individualisierung bei gleichzeitig kleiner Stückzahl. Im Vergleich zu anderen Anwendungen werden die Stückzahlen auch bei einem kommerziellen Durchbruch der Quantenanwendungen nicht besonders groß sein. Auf der anderen Seite benötigen viele Quantenanwendungen häufig sehr individualisierte Schaltkreise, z.B. in Form der Spannungslevel, die sie verarbeiten oder zur Verfügung stellen müssen. Weiterhin sind die Anforderungen an die Datenverarbeitung teilweiße extrem hoch, so dass nur modernste Schaltungskonzepte und Schaltungen diese erfüllen können. Häufig muss die Elektronik auch auf kleinstem Bauraum untergebracht werden, entweder aus Anforderungen der Anwendung oder auch, da diese im Bereich des gekühlten Raumes untergebracht sind. Daher sind neuartige Aufbaukonzepte wie das der Chiplets prädestiniert diese Anforderungen zu erfüllen.
Mittels Chiplets ist es möglich, die Datenverarbeitung mit Standard- oder Spezial-Prozessoren zu realisieren. Darüber hinaus sollten schnelle Analog-Digital-Konverter (ADCs) oder Digital-Analog-Konverter (DACs) als Chiplets verfügbar sein. Damit ist es dann nur notwendig, die speziell anzupassenden Komponenten wie Treiber als Chiplets individuell zu entwerfen, um z.B. die notwendigen Spannungslevel zu Verfügung zu stellen. Hierfür können auch Spezialtechnologien wie SiGe zum Einsatz kommen und als Chiplets integriert werden.
Damit bietet die Chiplet Technologie eine Möglichkeit, die verschiedenen Anforderungen nach Performance, Individualisierung bei kleinen Stückzahlen und einem trotzdem moderaten Preis zu erfüllen.