Newsletter 02/2023
Die Digitalisierung der Industrie schreitet in großen Schritten voran, allerdings nicht überall in der selben Geschwindigkeit. In vielen Branchen lassen sich Prozesse gut bis sehr gut digitalisieren, beispielweise, weil elektronische Steuerungen relativ einfach per Retrofit von analog auf digital umgerüstet werden. Teils entstehen neue Industriezweige sogar erst durch digitale Prozesse. Allerdings gibt es etablierte und gut laufende Industriezweige, die noch nicht im selben Maße von der Digitalisierung profitieren.
Gerade beispielsweise im klassischen Maschinenbau ist die Ausrüstung von Bestandsanlagen mit elektronischer Sensorik und Aktorik oft noch schwer realisierbar. Verfügbare digitale Systeme am Markt sind zumeist Standardlösungen, die nicht ausreichend auf die Bedürfnisse dieser Industrie ausgerichtet sind. Dadurch fällt es schwer, sie in die hochpräzise, nicht selten auf jahrelangen Erfahrungswerten basierende Produktion von Anlagen zu integrieren. Die wichtigsten weiteren Faktoren für eine Ausrüstung von Anlagen, neben dem Preis, sind der Raumbedarf der Elektronik, ihre Robustheit, die Schnittstellen für die Kommunikation und gelegentlich auch der Stromverbrauch. Nicht selten darf die zusätzliche Elektronik keinen bis sehr wenig Einfluss auf die mechanischen Teile der Anlage haben.
Eine technische Lösung dieses Dilemmas kann ein angepasster Schaltungsentwurf sein, der genau diese Anforderungen der konkreten Applikation berücksichtigt. Ein angepasstes System kann in Form eines ASICs, oder bei komplexeren Aufbauten eines Chiplets, in Kombination mit nötiger, aber reduzierter, diskreter Außenbeschaltung umgesetzt werden. Die Hardware wird auf die eigentliche Aufgabe hin optimiert und kann mittels standardisierter Schnittstellen im Verbund mit etablierten Steuerungen betrieben werden.
Ein Nachteil der ASIC-basierten Lösung sind die höheren Stückkosten. Eine Standardlösung kann vielfältig eingesetzt werden und dadurch zu geringeren Kosten produziert werden. Diese breite Streuung der Anwendungen entfällt bei der angepassten Lösung. Jedoch gibt es mehrere Ansätze die Kosten an verschiedenen Stellen zu reduzieren. So kann im Entwurfsprozess bereits stark modularisiert gearbeitet werden, sodass sich verschiedene Schaltungsentwürfe ähnliche Basen teilen und Schaltungskomponenten entsprechenden Bibliotheken entnommen werden können. Dies ist gängige Praxis. Auch die Wahl der Technologie je nach Performancewünschen hat großen Einfluss auf die Fertigungskosten. Teilt man das Design auf mehrere Technologien auf und nutzt Chiplets als Modularisierung ähnlich wie im Entwurf selbst, kann dies über mehrere Systeme/Anwendungen gesehen ebenfalls die Kosten senken. Das Kosten/Nutzen-Verhältnis muss anhand dieser und anderer Faktoren je nach Anwendung genau abgewogen werden.
Oft werden an Maschinen oder in Prozessen heute zunächst große Datenmengen erfasst, in eine Cloud (on premise oder public) übertragen und dort ausgewertet. Dies erfordert performante Übertragungsmedien und Rechenkapazitäten. Aufgrund fehlender Echtzeitfähigkeit ist das Cloud-basierte Rechnen für das Steuern von Maschinen und Anlagen in den meisten Fällen nicht nutzbar. Hier sind Lösungen in der Edge gefragt, also nah am Einsatzort, aber mit beschränkter Rechenleistung. Um Daten direkt in der Edge auswerten zu können, muss der Algorithmus möglichst genau wissen, wonach er sucht. Ist dieser Algorithmus bekannt – oder kann er durch entsprechende vorgelagerte Maßnahmen wie z.B. durch maschinelles Lernen gefunden werden – so kann eine angepasste Hardware, die genau auf den Anwendungszweck und die entsprechende Software zugeschnitten ist, einen immensen Vorteil gegenüber Standardlösungen bedeuten. Direkt in Spezialhardware können Berechnungen grundsätzlich schneller und energiesparender ausgeführt werden als durch eine Softwarelösung auf Allzweckhardware. Weiterhin können durch das Weglassen nicht benötigter Komponenten ebenfalls Energie, aber auch Platz und dadurch nicht zuletzt Kosten gespart werden.
Angepasste, integrierte Lösungen spielen ihre Vorteile trotz höherer Kosten demnach vor allem in Anwendungen mit speziellen Anforderungen aus. Das gilt insbesondere für Szenarien, die mit Standardlösungen nicht oder nur unzureichend realisierbar sind. Dort kann der angepasste Schaltungsentwurf einen signifikanten Beitrag bei der Transformation hin zu Industrie 4.0 leisten.